Ehe Editta Braun 1989 die editta braun company gründete, tanzte und choreografierte sie im Kollektiv "Vorgänge", zu dem sie sich 1982 gemeinsam mit Beda Percht und anderen Salzburger SportstudentInnen zusammengetan hatte.

Mit seiner ungewöhnlichen fünften Arbeit «Lufus» erregte dieses Tanzkollektiv 1986 beim Concours chorégraphique international de Bagnolet/Paris Aufsehen und errang (ex aequo mit Saburo Teshigawara) den zweiten Platz im internationalen Wettbewerb sowie den Festivalpreis für die innovativste Choreographie.


Die Uraufführung des Stückes hatte während eines Fortbildungsaufenthalts des Kollektivs in Fanghoumé im Süden Senegals stattgefunden. Germaine Acogny, die Grande Dame des Afrikanischen Tanzes, hatte die jungen TänzerInnen im Verlauf des Workshops eingeladen, das Stück bei einer Zeremonie für ihre Großmutter, die animistische Priesterin Aloopho, im Heiligen Hain, einer hügeligen Waldlandschaft, zu tanzen. Einige PerformerInnen der damaligen Besetzung sind heute bekannte Namen im Bereich des zeitgenössischen Tanzes und wirken als RegisseurInnen und DarstellerInnen über Salzburg hinaus: Beda Percht, Marion Hackl, Wolf Junger und Ekkehard Hager.


Für die ORF-Kunststücke wurde noch im selben Jahr ein Tanzvideo zum Bühnenstück «Lufus» gedreht, das diese „Keimzelle“ der späteren LUVOS-Produktionen dokumentiert: acht Männer und Frauen, fast nackt im Gegenlicht, die Bühne mit Erde, die Haut mit Luvos Heilerde bedeckt  (der Name der Heilerde gab der Produktion ihren Namen), isolierte Gliedmaßen in ungewöhnlicher Perspektive, nackte Beine, Rücken, Hintern, reglos, dann langsam schwankend, zitternd, zuckend … bis hin zum kreatürlichen Hüpfen, Wabern, Rollen und Stampfen urzeitlich wirkender Wesen mit befremdlicher Maske. Dazu die Musik der Formation Art Zoyd, deren Ko-Komponist Thierry Zaboitzeff später zum kongenialen Musikschaffenden für die Company werden sollte.

Bis heute entwickelt Editta Braun mit ihrer Company und Thierry Zaboitzeffs Musik diese außergewöhnliche Form des Bewegungstheaters in ihrer LUVOSmove®-Reihe fort und begibt sich damit weit über die Grenzen des herkömmlichen zeitgenössischen Tanzes hinaus.

Mit «Luvos, vol. 2» nimmt Editta Braun 2001 den choreographischen Faden von 1986 wieder auf und beginnt diesen weiter zu spinnen, weiter zu erforschen. Die ganz eigene Ästhetik eines rein weiblichen Körperillusionsetheaters geht einher mit dem Aufbau eines regelrechten Luvos-Ensembles, dessen Tänzerinnen auf dieses Repertoire spezialisiert sind.  


Editta Braun deutet seither das LUVOS-Universum in immer neuen Kontexten mehrfach neu. "Lufus" wird zu "Luvos".

«Luvos, vol. 2» (2001) wird lesbar als Kommentar zu beängstigenden Auswüchsen der Gentechnik, als Evokation faszinierend-verlockender Unterwasserwelten, als Verselbstständigung der Gedanken- und Gefühlswelt einer Konzertpianistin. Die LUVOS-Wesen sind Humanoide, Pflanzen, Gewürm, Monster, Abstrakta.

Die echte Erde auf der Bühne wird durch kleine rote Schaumstoffwürfel ersetzt, die seither in verschiedenen Farben zur Ausstattung der LUVOSmove®-Stücke gehören.


Nach 11 Jahre des Tourings mit «Luvos, vol. 2» entwirft Editta Braun mit «planet LUVOS» (2012) ganz in Blau ein endzeitliches Unterwasserszenario und konfrontierte zum ersten Mal die surrealen LUVOS-Körperwelten mit einer menschlichen Gestalt. Auch dass die fünf (in der Premierenbesetzung: sieben) Tänzerinnen dieser Produktion zunächst als menschliche Wesen, eine Art Schiffscrew, auf der Bühne zu sehen sind und erst im Verlauf des Stückes „mutieren“, ist eine Neuerung.


2015 (und 2017 mit neuer Besetzung in veränderter Fassung) steht den LUVOS-Wesen auf der nun in grau gehaltenen Bühne von «CLOSE UP» keine Tänzerin gegenüber, sondern eine Konzertpianistin. Die lemurenhaften LUVOS-Kreaturen, jetzt mit Perücke, werden hier verstanden als Verkörperung des Innenlebens der Musikerin – Zweifel, Ängste, Sorgen und die Sehnsucht nach Freiheit in einer äußerlich harmonisch perfekten Welt der Hochkultur. In der von Aysedeniz Gökçin (und in der Version 2.0 von Céline Thévenot) live interpretierten, von den Interpretinnen und von Thierry Zaboitzeff komponierten Musik begegnen sich Traum und Wirklichkeit, Innen und Außen: Tanz und Musik im Zusammenspiel und kontrastiven Wettstreit der (syn)ästhetischen Elemente.


2019 schließlich kehrt Editta Braun mit drei in dieser Technik besonders erfahrenen LUVOSmove®-Tänzerinnen zurück in den Senegal, wo mehr als dreißig Jahre zuvor alles begonnen hatte. In Germaine Acognys École de Sables in Toubab Dialaw und in Dakar zeigen sie das nach dem LUVOS-Ursprungsort benannte Stück «Fanghoumé» (2019), aus dem dann «Hydráos» (2020) werden sollte, dessen "oriental version" - in Rücksichtnahme auf die gastgebenden Kulturen - durch grüne Ganzkörperanzüge und extremes Lichtdesign eine abstrahierende Ebene einzieht.


Im selben Jahr lässt die Company schließlich die Bezeichnung LUVOSmove® für diese über Jahrzehnte hinweg entwickelte Bewegungssprache und Art des Körperillusionstheaters markenrechtlich schützen.


Mit dem künstlerisch-wissenschaftlichen Kolloquium "LUVOSmove®: Einblicke und Außenansichten" an der ABPU Linz (Anton Bruckner Privatuniversität) beginnt Editta Braun 2021 gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Stefanie Schroedter ihr Körperillusionstheater zu analysieren und an der Universität zu unterrichten.


Im September 2022 wird die oriental version von «Hydráos» beim Cairo International Festival for Experimental Theater mit dem Best Ensemble Performance Prize ausgezeichnet und für die Beste Regie und das Beste Bühnenbild nominiert.


Von 2021 bis 2022/23 entsteht in Kenia und Salzburg  der Tanzfilm «LUVOS migrations», Regie Editta Braun & Menie Weissbacher, der weltweit auf Tanzfilmfestivals gezeigt und mehrfach ausgezeichnet wird.


Aus der filmischen Auseinandersetzung mit der Bewegungssprache entsteht Editta Brauns Bedürfnis, den nackten Körper der Tänzerinnen wieder ins Zentrum zu rücken: die occidental version von «Hydráos» wird 2024 im Stadttheater Gießen uraufgeführt.


Fanghoumé

Novosibirsk, Sibirien

Jerusalem

Edinburgh

LUVOS - die Geschichte

Kairo

Vom aufsehenerregenden Kurzstück «Lufus» des Kollektivs Vorgänge, das 1986 beim Choreographiewettbewerb von Bagnolet/Paris ausgezeichnet wurde, über die Luvos-Produktionen der editta braun company: «Luvos, vol. 2» (2001), «planet LUVOS» (2012), «Close Up» und «Close Up 2.0» (2015 und 2017), «Fanghoumé» (2019), später unter dem Titel «Hydráos», bis hin zur Tanzfilmfiktion «LUVOS migrations» (2022/23) und schließlich 2024 der "occidental version" von «Hydráos».

Die von der editta braun company entwickelte Tanztechnik und Ästhetik von LUVOSmove® wird kontinuierlich weiterentwickelt und bereichert. Bewegungsforschung und die enge Verzahnung von Bewegungs- und Klangvokabular führen zu einer ganz besonderen, spezifisch weiblichen Form eines musikalischen Körperillusionstheaters, das ein spezfisch trainiertes Tänzerinnen-Ensemble benötigt.